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Megatrends im Supply Chain Management – Eindrücke von der CHAINge Europe 2025 in Brüssel

Vom 17. bis 18. Juni 2025 war PMI gemeinsam mit mehreren Kolleg:innen auf der CHAINge Europe Konferenz in Brüssel vertreten. Neben intensiven Gesprächen mit Teilnehmenden aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zählte der Vortrag von Henrik von Scheel zu den inspirierendsten Impulsen der Veranstaltung.

Der Futurist und Mitbegründer von Strategic Intelligence beim World Economic Forum gewährte in seinem Vortrag tiefe Einblicke in die Kräfte, die globale Lieferketten in den kommenden Jahren prägen werden. Seine zentrale These: Die Welt steht vor einem Paradigmenwechsel – ausgelöst durch das Zusammenspiel mehrerer Megatrends, die nicht einfach additiv, sondern multiplikativ wirken. Wer in diesem Umfeld bestehen will, braucht strategisches Umdenken, technologische Souveränität und Vertrauen als Leitprinzip.

Wenn Megatrends aufeinanderprallen

Von Scheel beschreibt, wie ökonomische, technologische und geopolitische Entwicklungen sich gegenseitig verstärken und dabei alte Spielregeln außer Kraft setzen. So sei etwa die Zeit eines unipolaren, vom Westen dominierten Systems vorbei – die wirtschaftliche Macht verlagerte sich in den letzten Jahren massiv nach Asien, von wo heute rund 75 % des globalen Wachstums stammen.

Besonders bedeutsam sei die Neuordnung des globalen Finanzsystems: Mit der Entkopplung von Öl- und Goldhandel vom US-Dollar durch Saudi-Arabien endete eine Ära. Lieferketten, die lange auf Stabilität und westliche Dominanz gebaut waren, müssen sich in einem multipolaren Umfeld neu orientieren. Dies sei laut von Scheel keine Krise, sondern eine historische Gelegenheit: ein „Globalisierungs-Reset“, bei dem fundamentale Strukturen neu gedacht werden können – und müssen.

Vertrauen als strategische Währung

In dieser neuen Weltordnung rückt Vertrauen ins Zentrum erfolgreicher Lieferketten. Wo Technologien wie KI, Automatisierung und Digitalisierung Prozesse beschleunigen, wird Vertrauen zum verbindenden Element – zwischen Menschen, Systemen und Organisationen.

Von Scheel betont: Supply Chains werden nicht von Systemen gesteuert, sondern von Menschen. Trotz aller Digitalisierung bleibe die zwischenmenschliche Verlässlichkeit der entscheidende Faktor für Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit.

Digitalisierung: Kein Ziel, sondern ein Prozess

Digitalisierung ist laut von Scheel kein einmaliger Transformationsschritt, sondern ein dynamischer Reifeprozess. Er unterscheidet mehrere Wellen digitaler Entwicklung – von digitalem Sensing, über symbolische KI und Machine Learning, bis hin zur Integration von unternehmensinternen Sprachmodellen, um Datenkontrolle und Datenschutz sicherzustellen.

Dabei wird deutlich: Moderne Supply Chains brauchen nicht nur Tools, sondern ein strategisches Verständnis für Datenflüsse, Prozessdesign und Automatisierung. Wer mit "Shadow AI" und Workflows beginnt, kann später über „narrow AI“ zu echten Effizienzgewinnen gelangen. AGI (Artificial General Intelligence) sei hingegen ein Fernziel – heute gehe es vor allem um saubere, strukturierte Daten und intelligent eingesetzte Automatisierung.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

Ein besonders eindrucksvoller Teil des Vortrags widmete sich der „Environmental Revolution“. Hier sieht von Scheel eine neue Ära: Regulierung wird zur treibenden Kraft für Innovation – nicht als Last, sondern als strategische Chance.

Unternehmen, die Emissionen, Wasser- und Energieverbräuche gezielt messen und steuern, können steuerlich profitieren und sich Wettbewerbsvorteile sichern. Nachhaltigkeit sei damit kein abstraktes Ideal mehr, sondern ein betriebswirtschaftlich relevantes Kriterium – und ein Hebel für EBITDA-Steigerungen von bis zu 5 % innerhalb von drei Jahren.

Vom Kostenblock zum Werttreiber

Supply Chain sei niemals als Kostenstelle gedacht gewesen. Sie wurde dazu durch übermäßige IT-Fokussierung. In Wahrheit ist sie der Ort, an dem 80 % der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens entstehen – durch smarte Sourcing-Strategien, operative Exzellenz, datengetriebene Planung und integrative Partnerschaften.

Selbst Bereiche wie Lagerfinanzierung lassen sich durch digitale Sichtbarkeit neu denken – ein Ansatz, den von Scheel als „financial re-engineering“ beschreibt. Wenn Daten zu Standort, Temperatur oder Bewegung von Gütern verlässlich verfügbar sind, können Lagerbestände finanziert und versichert werden – was neue Freiräume schafft.

Fazit aus Sicht von PMI

Der Vortrag auf der CHAINge Europe 2025 hat uns gezeigt: Die Zukunft der Lieferketten wird nicht nur technologisch entschieden – sondern strategisch, menschlich und vertrauensbasiert. Unternehmen, die diese Perspektive einnehmen, können Komplexität in Chancen verwandeln und zur aktiven Gestalterin globaler Transformation werden.

Es geht am 9. und 10. September weiter mit der CHAINge North America in Columbus, Ohio. Sehen wir uns dort?

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